Als er gegangen war, ordnete Ludwig seine paar Sachen und schrieb eine Zeitlang. Dann rückte er den Stuhl ans Fenster und stellte ein Becken mit warmen Wasser daneben auf den Tisch. Er verschloß die Tür, setzte sich in den Sessel und schnitt sich die Adern im Wasser auf. Der Schmerz war gering. Er sah das Blut fließen, ein Bild, an das er oft gedacht hatte: dieses verhaßte, vergiftete Blut ausströmen zu lassen aus dem Körper.
Sein Zimmer wurde sehr deutlich. Er sah jedes Buch, jeden Nagel, jeden Reflex der Steinsammlung, das Bunte, die Farben, er empfand: sein Zimmer. Es drängte sich heran, es ging in seinen Atem ein und verwuchs mit ihm. Dann wurde es wieder ferner. Undeutlich. Seine Jugend begann in Bildern. Eichendorff, die Wälder, das Heimweh. Versöhnt, ohne Schmerz. [...]
Dann wurde es schwächer, und der Abend stieg durch das Fenster, die Wolken schwammen heran, unter seine Füße. Er hätte gern in seinem Leben einmal Flamingos gesehen, jetzt wußte er: diese waren Flamingos, mit weiten rosa Schwingen, viele, ein Keil - [...] -
Die Landschaft weitete sich mehr und mehr, die Wälder sanken tiefer, silbern glänzten Flüsse herauf und Inseln, die rosagrauen Schwingen flogen immer höher, und immer heller wurde der Horizont - das Meer -- Doch plötzlich stemmte sich noch einmal heiß im Halse ein schwarzer Schrei hoch, ein letzter Gedanke wurde aus dem Hirn in das schwindende Bewusstsein gespült:
Angst, Rettung, Abbinden - er versuchte aufzutaumeln, die Hand hochzureißen - der Körper zuckte, aber er war schon zu schwach. Es kreiste und kreiste, dann schwand es, und der riesige Vogel mit den dunklen Fittichen kam sehr leise mit langsamen Flügelschlägen und wehte sie lautlos über ihm zusammen.
Eine Hand schiebt mich fort...
Keine Anleitung um es selbst zu tun - nur ein Ausschnitt aus einem sehr tollem Buch. Ich liebe es. Und das ist meine Lieblingsstelle. Buch bitte kaufen und lesen, danke.